Alles für die Schönheit
Von Tobias Kurakin und Simone Rendl (Kleine Zeitung am 30.07.2025)

Immer mehr junge Menschen nehmen bei der Jagd nach Selbstoptimierung plastische Eingriffe vor.
Größer, gerader, straffer. Vanessa Maria Landmann hat die Kosten für einen luxuriösen deutschen Neuwagen in ihren Körper investiert. Als Akt der Selbstbestimmung bezeichnet die heute 43-jährige Villacherin ihre Brustvergrößerung, Nasenkorrektur und Oberlidstraffung. Nach langen Jahren als Personenschützerin wollte sie ein „Makeover“. „Das Bild, das ich von mir innerlich hatte, hat nicht mit meinem Äußeren übereingestimmt“, erzählt Landmann. Die Operationen waren gut überlegt, Landmann suchte sich die ihrer Meinung nach beste Praxis. „Das ist ein schwerwiegender Eingriff, dessen muss man sich bewusst sein“. Sie will ihre Behandlungen nicht schönreden. „Da ist man nicht schon nach sechs Wochen wieder voll im Leben.“
Der Trend zur Selbstoptimierung ist keine Seltenheit. „Noch nie hat Aussehen so eine wichtige Rolle gespielt wie heute“, sagt die Jugendpsychologin Lisa Schirninger. Der gesellschaftliche Druck gepaart mit virtuellen Vorbildern, denen Jugendliche nacheifern wollen, führt zu einer ständigen Jagd nach der Schönheit. Das findet sich auch in Zahlen wieder. Laut RegioData sind die Ausgaben für plastische Operationen in Österreich in den vergangenen zehn Jahren um 172 Prozent gestiegen. Laut SaferInternet haben 28 Prozent der minderjährigen Jugendlichen bereits über einen ästhetischen Eingriff nachgedacht.
Den einen Grund für einen Schönheitseingriff gibt es aber nicht. Selbstbestimmung wie bei Landmann ist einer, Fremdbestimmung auch. Florian Wiessner erzählt, er hätte kein Problem mit seinem Körper gehabt, sein Umfeld schon. „Ich wurde wegen meiner abstehenden Ohren in der Schule gemobbt“, sagt Wiessner. Mit zehn Jahren hatte er genug vom Spott. Er ließ sich die Ohren anlegen. Eine kleine Operation, die jedoch zeigt: In der Gesellschaft wird auf angebliche Normen wert gelegt. Ein Ohr steht in der Regel nicht mehr als 30 Grad vom Kopf ab, ein Grad mehr macht das Sinnesorgan zur Angriffsfläche.
Schon im Jahr 1963 warnten US-amerikanische Forscher davor, dass Kinder mit abstehenden Ohren öfter gemobbt werden. Mögliche Folgen: sozialer Rückzug, Angst und Isolation. Physische Behandlungen gegen psychische Folgen. Wiessner blickt neun Jahre später mit gemischten Gefühlen zurück. „Es gibt Tage, da bereue ich es, für andere so früh einen Eingriff vorzunehmen, ist nicht gut“.
Spott erntete die 25-jährige Sarah Nicole Schlager zwar nicht, aber ihre kaum präsente Oberweite machte der Grazerin in ihrer Jugend mental zu schaffen. „Meine Freunde haben immer gesagt, dass ich perfekt bin, wie ich bin, aber es hat immer an meinem Selbstbewusstsein genagt, nicht den gleichen Prozess durchzumachen wie andere Mädchen.“ Während ihre Freundinnen gemeinsam erste BHs kauften, fühlte Schlager sich alleine. „Ich habe nie einen gebraucht.“
Schlager dachte, ihr fehlt etwas. Nach langem Zögern entschied sie sich 2024 für eine OP. „Ich hatte so große Schmerzen, dass ich den Eingriff zunächst bereut habe. Heute fühle ich mich wohl in meinem Körper.“ Ihre Brustvergrößerung war nicht ihr erster Eingriff. Mit 19 Jahren besserte sie das erste Mal bei Lippen und Wangen nach. „In den sozialen Medien ständig mit vermeintlich perfekten Menschen konfrontiert zu werden, macht etwas mit einem“. Mittlerweile hat sie beschlossen, die Behandlung auslaufen zu lassen.
Schlager ist keine Ausnahme. „Auf Instagram und Co. werden plastische Eingriffe zur Kleinigkeit, Kosten und Nebenwirkungen werden bewusst verschleiert“, sagt Jugendpsychologin Schirninger. Die Stadt Wien hat auf den Trend reagiert und eine Informationskampagne gestartet, um über mögliche Folgen von Schönheitsoperationen aufzuklären. Die Jagd nach der Schönheit sei ein Teufelskreis, so Schirninger. Jede Veränderung habe das Potenzial, neue Likes zu generieren. Umso wichtiger seien daher Hobbys und Freunde in der analogen Welt. Die Realität ist nämlich meist viel schöner.